Wellenfliegen am Dreikönigstag

Es muss schon viel zusammenpassen

Speziell für ein Flugzeug, das auf der Westseite des Flughafens im Hangar West untergebracht ist – so wie unsere Dimo – sind der (Spät-)herbst und Winter leider sehr oft Zeiten eines mitunter ausgedehnten Dornröschenschlafs. Es gibt oft wochenlange Nebelwetterlagen, bei denen sowieso nicht sichtgeflogen werden kann, andererseits aber auch völlig aufgeweichter Boden oder gar Schnee auf den Rollflächen mit Rasenbelag zur befestigten Betonpiste des Flughafens.

Wenn Gefahr des Einsinkens des Fahrwerks in den weichen Rasenboden besteht, ist an eine Rollgenehmigung zur Betonpiste von Seiten der Flughafenbetreiber nicht zu denken (sie sind verständlicherweise erklärte Nicht-Freunde des Kartoffelanbaus auf ihren Bewegungsflächen).

Die eiskalten Nächte und das anhaltend trockene Wetter der vergangenen Wochen führten zu knackhart gefrorenen Böden, womit das Rollen – zumindest am Vormittag – nun ausnahmslos immer genehmigt wurde. Und wie bereits berichtet wurde die Dimo während der Weihnachtsferien und Urlaube ausnehmend eifrig geflogen (siehe z.B. Andis und Sigis Silvesterausflug). Allzu einladend waren ja jetzt die Sichtweiten in kristallklarer Luft, wie man sie im Sommer wirklich nur selten erlebt, die im Winter aber immer wieder mal vorkommen, wenn „Frischluft“ die Inversion und den Nebel im Grazer Becken endlich „ausputzt“.

Wie das Wellenfliegen funktioniert

Der Winter als an sich vollkommen Thermik- und damit Aufwind-lose Zeit bietet neben oft ausgezeichneter Sicht aber –und ganz besonders in Graz – noch ein weiteres Zuckerl, für das nun aber die entsprechende Wetterlage und Bodenbeschaffenheit, ein funktionierendes Fluggerät, Zeit bei den Piloten und ein einigermaßen „gefestigtes Verständnis“ für das Fliegen in turbulenten Luftströmungen (nicht zu ausgiebig frühstücken!) zusammenkommen müssen:

Das Fliegen in Föhnaufwinden, auch „Gebirgswellen“ genannt. Dazu braucht es starken Wind in der Höhe (der sich aber in der Richtung nicht zu stark ändern darf), eine stabile Luftschichtung und – am allerwichtigsten – ein Hindernis für den Wind, in Form eines langgestreckten Hügel- oder Gebirgszuges, der möglichst rechtwinklig zur Windrichtung steht.

Graz hat ideale Bedingungen für das Wellenfliegen

Graz hat nun für fast jede Windrichtung mit Ausnahme von Südostwind einen passenden Berg in erreichbarer Nähe herumstehen… Wenn das alles zusammenpasst, erhält man nun Aufwindbänder, in denen man die Nase des Flugzeuges in den Wind (der annähernd gleich stark sein kann wie die Fluggeschwindigkeit gegenüber der Luft) stellen und wie mit einem Lift in gefühlt vollkommen ruhiger Luft bis in große Höhen steigen kann.

Im Gegensatz zum Thermikfliegen, wo die Wolkenbasis meist die OBERgrenze darstellt, fliegt man in der Welle fast immer ÜBER den Wolken, man genießt also die Sonne, trotz der kalten Außentemperaturen, die man mitten im Winter in 5000m Höhe erwarten kann (wobei: heute war das mit -14°C gar nicht so schlimm, ich hatte schon mal -32°C…).

Alles hat seinen Preis

Es sei aber anzumerken, dass der Genuss der vollkommen laminaren, ruhigen Strömung in der Höhe (meist beginnend ab Kammhöhe des Gebirges) einen Preis hat: dorthin muss man erstmal steigen und sich dabei durch die SEHR turbulente Strömung UNTER der Kammhöhe des Gebirgshindernisses kämpfen. Und das ist manchmal wirklich nichts für zarte Gemüter – zumindest nicht beim allerersten (Schul-)Flug (@Frühstück)…

Der Dreikönigstag 2025 war jedenfalls so ein Tag

Alles hat perfekt zusammengepasst: Es war noch ein Feiertag, die Wiese war trocken und tragfähig, die Rollgenehmigung schon in der Früh erfragt, die Flugwut durch herbstlichen Rückstau enorm – und die Wetterlage früh genug erkennbar, sodass bereits vor zwei Tagen entsprechende Planung begonnen werden konnte (der erste Hinweis auf die Möglichkeit von Wellen im Raum Graz kam übrigens aus Deutschland, von unserem ausgewanderten Kollegen Klaus, mit dem ich 2003 das allererste Mal in einer Welle geflogen bin).

Und ja, der erste morgendliche Blick aus dem Fenster zeigte wunderschöne Anzeichen für Südwestföhn wie vorhergesagt, in Form ausgedehnter Lenticularis-Wolken über der Koralpe. Also verabredeten Georg und ich uns nach vorgestrigem „Memorandum of Understanding“ für 11:00 am Hangar, um den Wellenritt zu versuchen.

Es kann losgehen

Nach Vorflugcheck und Montage der Sauerstoffanlage wurde noch der Flugplan eingereicht, die Haube geschlossen und der Motor angeworfen. Mit der Kontaktaufnahme mit Graz Tower gegen 11:55 ging es nun endlich los. Wenig später schon abflugbereit am Rollhalt mussten wir noch den Start einer Eurowings-Maschine abwarten (die dann auch nur kurz nach unserer Landung schon wieder aus Berlin zurückkehren sollte).

Das Wolkenbild zeigte nicht nur schöne Lenticularis in großer Höhe, sondern auch jede Menge übel zerfetzter Wolkenwalzen unter der Kammhöhe der Koralpe, was auf einen eher heftigen Ritt bis zum Erreichen der eigentlichen Welle hindeutete – und so war es nach einem anfänglich noch ruhigen Abflug dann auch.

Etwa 5 Minuten nach dem Abheben erreichten wir in etwa 1000m NN über Lieboch die ersten Rotorturbulenzen, die bald ziemlich heftig werden sollten und mich als „pilot flying“ auch körperlich ziemlich ins Schwitzen brachten (während es Georg als „pilot monitoring and photographing“ neben mir langsam kälter wurde, je höher wir kamen).

Nach 7 Minuten heftigen „Watschen Kassierens“ beruhigte sich das Geschehen in ca. 2200m NN über Stallhofen dann aber von einem Augenblick zum Nächsten (wie es für Wellenflüge typisch ist), und wir waren endlich in der laminaren Strömung.

Wellenfliegen ist Spitzensport 😉

In der Nachschau interessant ist für mich, was der Fitnesstracker für diese 7 Minuten aufzeichnet hat – die wirklich körperliche Arbeit an Knüppel und Pedalen ist sehr gut an der Herzfrequenz ablesbar.

Der Ruhe entgegen

Einmal im laminaren Steigen im Raum Köflach bis Hebalm angekommen heißt es: Sauerstoffkanülen aufsetzten, Flaschen aufdrehen und ab jetzt den Flug dann nur mehr GENIESSEN! Man sucht sich die Aufwindbänder anhand des Wolkenbildes und steigt in absolut ruhiger Luft dem Himmel entgegen und genießt die Aussicht in der glasklaren Luft.

Man stellt die Nase in den Wind und steht laut GPS über Grund mehr oder weniger still (Groundspeed manchmal unter 10 km/h, und der „Kurs“ über Grund hat oft gar nichts mehr mit der Richtung der Flugzeugnase zu tun…).

Nach Freigaben auf zuerst FL100 wurden bald FL150 und dann sogar FL180 angefragt. Meistens ist es bei Wellenflügen draußen ZIEMLICH kalt, in dieser Höhe von mehr als 5000m NN, das war heute mit -14°C aber gottseidank sehr moderat und die Sonne schien uns ins Gesicht, wir flogen ja in einer Südwest-Welle.

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein – sie ist jedenfalls grenzenlos schön!

Auch wenn das Cockpit bei stehendem Motor unbeheizt und manchmal „saukalt“ ist: Ein Blick auf den Höhenmesser tröstet und der Ausblick und die Sonne entschädigen für die kleine Unannehmlichkeit 😎.

Wir waren aber nicht alleine

Unser Flug war für uns zwar der volle Genuss, wir waren aber offenbar gar nicht GANZ am Ort des besten Steigens: etwas südlich von uns, in der Gegend Radlpass, kreuzte ein weiterer Motorsegler in FL220 herum und erbat sich eine Freigabe bis FL240 direkt im Grenzgebiet zum Slowenischen Luftraum, was dem Controller einiges an Koordinierungsarbeit abverlangt haben dürfte und einige uns gut unterhaltende Wortmeldungen auf der Frequenz zur Folge hatte…

Graz Radar „warnte“ uns etwas später auch noch durch „persönliche Ansprache“ vor „anderem Verkehr“ in 5 Meilen Entfernung, da dieser aber gut 2000m höher war, fühlten wir uns ziemlich ungefährdet…

Nun aber OK, da oben wäre es vermutlich dann mit der Zeit doch zu kalt geworden, weshalb die etwas mehr als 5000m für uns als „Beute“ vollkommen in Ordnung und wir mit dem gewählten Operationsgebiet zufrieden waren…

Einen Vergleich der beiden Flüge gibt es hier zu sehen:

Aufhören, wenn es am schönsten ist

Trotz allen Genusses melden sich dann aber doch irgendwann körperliche Grundbedürfnisse (kalte Füße und große Höhe scheinen eine motivierende Wirkung auf die Nieren zu haben) und man denkt an Abstieg und Landung. Mit Graz Radar vereinbart, kreuzten wir dazu an Graz vorbei in Richtung Osten in der Hoffnung, dass dort die Rotorturbulenzen nicht mehr ganz so stark sein würden wie westlich des Flughafens. Dafür gab es als „Nebenprodukt“ während des Abstiegs auch noch einen glasklaren Blick auf Graz aus ca. 4500-4200m (Mit den Daumen nach unten ist im Video die Sinkrate der Dimona gemeint und nicht die Stimmung an Board…).

Einfach Abgleiten nach Osten über die Stadt Graz und den Flughafen Thalerhof. Diesen Ausblick hat man als Dimona Pilot beim „normalen Fliegen“ eher selten, bei der Rückkehr aus der Welle aber fast regelmäßig: Einfach genießen!

Alles hat ein Ende, nur Klappen haben wir zwei

Um den Nieren nicht allzu viel Vorsprung zu lassen und die erwartet heftige Landung nicht als gefühlter Kugelfisch machen zu müssen (Stichwort Blasenfüllstand…), beschleunigten wir den Abstieg mithilfe der gut wirkenden Bremsklappen – auf Dauer auch ein gutes Training für den linken Bizeps, weshalb man sich auch hier gerne abwechselt bei der Klappenbetätigung…

Wie ein Blattl im Wind

Wie schon beim Aufstieg begann die turbulente Zone bei etwa 2000m NN, reichte nun aber ganz bis zum Boden, was uns von Graz TWR – auf dessen Frequenz wir mittlerweile wieder waren – auch genau so angekündigt wurde. Außerdem wurden wir schon früh auf Wind mit 15-26 kt und eine Seitenwindkomponente bis 16 kt hingewiesen, ähnliche Windchecks erhielten wir bis zur Landung mehrmals. Könnte sein, die (wirklich wieder mal sehr zuvorkommenden!) Herrschaften am Turm waren wegen dieser Werte noch angespannter als wir im Flugzeug… (wir hatten jedenfalls das Gefühl, dass uns wohl die ganze Mannschaft zugesehen hat bei Anflug und Landung)

Georg und ich machten uns aus, dass er im Falle des Durchstartens (womit durchaus zu rechnen war) das Gas reinschieben würde und ich mich auf Knüppel und Klappen konzentrieren würde. Und so schwebten (besser: taumelten) wir der Piste entgegen. Die Landebedingungen gehörten beinahe zum übelsten, was mir in fast 25 Jahren untergekommen ist.

Ende gut, alles gut!

Georg hat das dann kurz nach dem Aufsetzten dem Tower gegenüber so zusammengefasst: „Schön war‘s nicht, aber immerhin gelungen“. Zur Antwort kam, dass es eigentlich bis zum letzten Meter eh ganz ordentlich ausgesehen habe…

Wir haben dann unerwähnt gelassen, dass es beim Landen eigentlich ja gerade auf den allerletzten Meter ganz besonders ankommt und alle Meter davor da recht wurscht sind im Vergleich dazu… Wie dem auch sei: wir haben es überlebt, und sogar das Flugzeug ist noch zu gebrauchen! 😉 Für das Bilderbuch war die Landung wohl trotzdem nicht…

Unsere Flugstrecke: Start in Richtung Süden, dann über Sender Dobl und Mooskirchen Richtung Voitsberg und ab dort in der Welle spielen. Dann Abgleiten aus über 5000m NN an Graz vorbei und weiter in Richtung Fernitz, dann Kehrtwende und über dem Autobahnknoten Ost noch letzte überschüssige Höhe abkreisen und über Puntigam in den Endanflug drehen.

War es vielleicht doch das Triebwerk, das den Wind erzeugte

Beim Zurückrollen durch den stürmisch-böigen Wind zum Hangar (der uns mit der Landungsqualität wirklich wieder versöhnte) durften wir am Funk noch die Ankündigung des Triebwerkstestlaufs der reparierten Swiss-Maschine, die kurz vor Weihnachten in Graz notlanden musste, mithören.

Als ausreichend Flugzeugvirus-vergifteter Mensch hab ich mir das im Zuge des Einkaufs beim Flughafen-Spar dann natürlich auch noch kurz angesehen. Und ironischer Weise hing da, knapp eine Stunde nach unserem Landerodeo, der Windsack völlig schlaff von seinem Mast… Egal: Guat is ‚gangen, nix is g’scheg’n! Und schee woas a! 🙂 In der langsam sinkenden Sonne gelang von der Terasse noch ein Foto einer sehr schön ausgeformten Lenticularis, wohl irgendwo im Lee des Schöckel. Und auch genau dieselbe Eurowings-Maschine, auf deren Start wir bei unserem Abflug warten mussten, stand nach einer Berlinrotation wieder am Vorfeld. Die Passagiere haben den Anflug sicher so genossen wie wir unseren. 😉

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